Olli und ich wechseln uns täglich ab, wenn es darum geht, unsere Kinder ins Bett zu bringen. Einer bringt Aiden ins Bett, einer die anderen 3.
Da Aiden bei uns schläft (oder vielmehr wir bei ihm), begleiten wir ihn nach wie vor in den Schlaf. Wir finden das mittlerweile echt toll und wir sind von unserem „bis zum ersten Geburtstag“ … „ok, bis drei Jahre“ … ab und sind nun bei „egal, dann halt dann, wenn er es möchte“ angelangt.
Ein Teil unseres Abendrituals ist es noch eine Folge „Bobo Siebenschläfer“ oder auch mal „Feuerwehrmann Sam“ zu schauen #verklagmichdoch.
Gestern war also Olli dran, und ich hätte arbeiten können (da ich das nur noch in der Zeit machen möchte, wenn keiner auf mich verzichten müsste UND ich Ruhe habe).
Als ich Aiden nach ca 20 Minuten plötzlich herzzerreißend weinen hörte.
Nach ein paar Minuten ging ich zu seiner Zimmertür und horchte was denn los sei. Denn eigentlich hätte Aiden gerne gehabt, dass ich ihn an dem Abend ins Bett bringe, und dachte es liegt vielleicht daran. „Ok, dann tauschen wir halt“ dachte ich noch, wartete aber trotzdem noch kurz ab, bevor ich rein ging.
Aiden weinte, schluchzte und bettelte „Bitte, bitte!“.
Er wollte noch eine weitere Folge gucken und wechselte zwischen blinder Wut, Unterwürfigkeit und schluchzte, wobei er sich gar nicht mehr zu beruhigen schien. Mir brach das Herz.
Olli sprach ganz ruhig, schimpfte nicht, gab aber auch nicht nach. „Abgemacht ist abgemacht.“
Ich war schon sehr stolz auf ihn, denn er hat das „unerzogen“ wenigstens schon soweit verinnerlicht, dass er nicht gleich laut wurde, wenn eines der Kids, nicht „nach seiner Pfeife tanzen“.
Ich konnte (leider) verstehen, dass er nicht nachgab, hätte ich doch vor nicht allzu langer Zeit genau so gehandelt.
In mir tat sich aber ein Wechselbad der Gefühle auf:
Altes Ich: „Es war abgemacht, misch dich nicht ein.“
Neues Ich: „Ja meine Güte, Ausnahmen bestätigen die Regel.“
A: „Du kannst da jetzt nicht reingehen, dann fällst du Olli in’n Rücken“
N: „So ein Quatsch, als ob ein Kind berechenbar wäre! Es ist ein KIND!“
A: „Er ist der Vater, er hat da jetzt das sagen! Du hast das gar nicht alles mitbekommen“
N: „Blödsinn! das ist nur ein Machtspiel! Gewohnte Erziehung, so wie wir damals auf Erwachsene zu hören hatten!“
A: „Das ist halt so. Das macht jeder so.“
N: „Was dabei raus kommt, sieht man ja… “
A: „Dann hast du dich gleich auch noch mit ihm in den Haaren“
N “ Ist mir egal, ich versuch es zu erklären.“
A: „Er hört schon gleich auf zu weinen“
N: „Hilf ihm, Aiden versteht die Situation überhaupt nicht. Wie denn auch? Er möchte doch nur noch eine weiter Folge schauen und Papa sagt einfach NEIN. Ausserdem hatte er heute einen Mittagsschlaf gemacht, da ist es eigentlich klar, dass er noch nicht so müde, wie sonst, ist.“
Mir war schlecht, ich fühlte mich hilflos und leicht ohnmächtig, ich musste etwas machen – aber was?!
Aiden weinte, bettelte, Olli sagte teils gar nichts mehr.
Auch eine „Erziehungsstrategie“: einfach nichts mehr sagen, in der Hoffnung, das Kind beruhigt sich von allein und hört auf. War hier aber nicht so. Immer wieder steigerte Aiden sich rein. Natürlich. Er wünschte sich noch eine Folge zu schauen.
Ich ging dann rein, ich konnte nicht noch länger warten. Trotz dem „Risiko“ mich vielleicht mit Olli zu streiten, war mir das Retten der Situation, zu Gunsten Aidens, sehr viel wichtiger.
Ich schickte Olli raus, sagte ich erkläre es ihm gleich, kuschelte und schaute mit Aiden noch eine Folge. Er beruhigte sich dann ziemlich schnell. Ich sagte Aiden noch das Papa ihn lieb hat und dann schlief er erleichtert ein.
Ich überlegte die echt ne Weile wie ich Olli das ganze gleich erklären sollte, denn Unerzogen ist eine Einstellungssache, das kann man anhand „Erziehungsmethoden“ nicht fest machen. Es gibt keine Regeln, kein „so macht man das“, keine Richtlinien.
Es ist nicht so, dass wir uns oft streiten, aber das war sowas, wo ich mit gerechnet hätte, dass er es nicht verstehen will, weil „das macht man halt so“. Er musste da als Kind durch. Ich musste da als Kind durch. Vor nicht allzu langer Zeit mussten auch alle unsere Kinder da durch. Also wie erklären?
Zumal ich „unerzogen“ für mich schon so verinnerlicht hatte, dass ich ihm nichts vorschreiben wollte. Eine Zwickmühle.
Als Aiden dann also schlief, ging ich ins Wohnzimmer und sagte ihm, dass ich es total toll finde, dass er so ruhig geblieben ist, ich ihm das wirklich hoch anrechne, denn das ist nicht selbstverständlich – für keinen. Auch ich habe damals (und zum Teil auch noch heute) ab einem gewissen Punkt rumgeschrien, wenn ich davon ausginge, dass mein Kind „mich verarschen will“. Zumindest war das das was ich dachte, bewusst war es aber meine Hilflosigkeit, weil mein Kind nicht auf mich hörte, mich nicht ernst nahm, mich scheinbar nicht respektierte, es das letzte Wort haben will. Ich bin doch die Erwachsene und wenn ich einmal nachgebe, dann hab ich das Theater ja immer.#kennsteja
Fakt ist aber: Hätte er ihm einfach noch eine weitere Folge angemacht, und mit ihm richtig abgesprochen, dann hätte er danach lieb geschlafen. Ok, vielleicht hätte er nach noch einer Folge gefragt, aber eigentlich ist Aiden so verständlich, dass er es danach akzeptiert hätte (dazu kommt ja noch der Mittagsschlaf – also das „ich bin noch gar nicht müde Gefühl“). So hatte es ja auch bei mir geklappt.
Von der Zeit her lief es also auf das selbe hinaus, allerdings einmal mit viel weinen, betteln, Herzschmerz und letztendlich vor lauter Erschöpfung einschlafen, und zum anderen mit nachgeben seitens des Erwachsenen und ohne Tränen – ernstgenommen.
Ausschlaggebend war aber der Satz, den ich Olli stellte:
„Würdest du MICH genauso behandeln, wenn ich noch eine Folge gucken möchte?“
Diese Frage kann sich jeder selber beantworten, und genau DAS ist es, was bedürfnissorientiert und auch unerzogen ausmacht. „Erziehen“ auf Augenhöhe.
Nur weil ein Kind, ein Kind ist muss es nicht unterwürfig sein. Und schon gar nicht, weil wir schon Erwachsen sind und „da auch durch mussten“.
Wir haben uns übrigens nicht gestritten, im Gegenteil, Olli hat es angenommen und eingesehen und ich bin sehr zuversichtlich, dass er es in nächster Zeit für sich verinnerlicht.