Kann man alle seine Kinder gleich lieben?
Bei 4 Kindern sollte mir die Antwort leicht fallen- und als liebende Mutter erst recht.
Das ist ja auch eigentlich eine Frage, die man sofort mit JA beantworten müsste.
Mittlerweile denke ich aber, man kann es nicht mit einem schludrigen „ja“ oder „nein“ beantworten.
Um es radikal runter zu reduzieren stellte ich mir die Frage:
Wen würde ich als erstes retten, wenn es brennt?
Antwort: Das Kind, was am (örtlich) nächsten bei mir ist, gefolgt vom nächst näheren usw.
Ich würde also keinen Unterschied machen wer mir mehr wert ist (das wäre natürlich auch mehr als fragwürdig).
Trotzdem würde ich sagen, ich liebe meine Kinder unterschiedlich, nicht gleich.
Was ich tue:
Ich liebe alle meine Kinder bedingungslos!
Ich liebe an einem Kind dies mehr, am anderen das mehr.
Mit „dem“ Kind mach ich das lieber, als mit „dem“ Kind.
Mit „dem“ Kind verbinde ich denselben Humor, mit „dem“ anderen spiele ich lieber.
Das heißt aber nicht, dass ich die anderen für eine Sache weniger liebe (weil sie es nicht „so gut“ können), oder das ich möchte, dass sie etwas besser können.
Ich nehme sie mittlerweile an, wie sie sind.
Ich sehe sie nun als Individuum.
Ich nehme sie als eigenständige Personen an.
Sie müssen nicht das machen oder können, was der andere kann oder weil es in irgendeiner fucking Tabelle steht.
Jedes meiner Kinder hat seine Stärken.
Und Schwächen.
Wie ich. Wie du. Wie der da hinten.
Und das ist sowas von verdammt noch mal wichtig dies zu erkennen und zu verstehen.
Raus aus der Form
Vor ein paar Jahren stellte ich mir schon einmal die Frage.
Eigentlich stellte ich sie mir jedes Mal wenn ich schwanger war:
Kann ich noch ein Kind lieben? Kommen meine jetzigen Kinder nicht eh schon zu kurz?
Ich machte mir unheimlich Stress, obwohl sich höchst selten eines meiner Kinder beschwerte.
Eifersucht gab es bei uns nie.
Trotzdem versuchte ich dann extra Zeiten für jedes Kind einzurichten.
Und scheiterte kläglich.
Ich wollte niemals die Mutter sein, die sich keine Zeit für ihre Kinder nahm. Ich wollte nicht die Mama sein, die zu beschäftigt war, um ihre Kinder aufwachsen zu sehen oder mal zu spielen.
Ich wollte die Beste Freundin in der Pubertät sein, ich wollte das Knutschmonster sein, welches sich hinter der Tür versteckt und Kinder zum Lachen bringt. Ich wollte die Mama sein, die mit ins Bällebad springt und der es egal ist, was die anderen sagen. Und ich wollte die coolste Mutter von allein sein.
Und trotz, dass es mir hätte egal sein müssen (und ich es mir eingeredet habe), was andere sagen, habe ich lange – sehr lange darauf geschaut was eine gute Mutter ausmacht;
Wie die anderen das machen.
Auf jedem Elternabend, bei jeder Kindergarten und Schulveranstaltung vorher, nachher und mittendrin helfen. Eltersprecher im Kiga werden und die tollsten Geburtstage organisieren. Extrazeiten fürs spielen, Extrazeiten pro Kind. Kinderzimmer immer aufgeräumt, die neueste Mode und bloß keinen verschmierten Schokoladen-eis-mund haben.
Das aber wohl scheinbar wichtigste Merkmal einer guten Mutter:
Kinder die sich zu benehmen wissen, die immer bitte und danke sagen, die sofort hören und still sitzen im Restaurant. Das ist doch ein Aushängeschild der guten Erziehung. Man schließt auf ein gutes Verhältniss zwischen Eltern und Kind. Gutes Elternhaus – kotz.
Wenn man solch kleine Soldaten erzogen hat, dann scheint es so, als hätte man es geschafft: man liebt seine Kinder, sagt die außen Welt.
Komplimente, dass das Kind ja so gut erzogen ist, so nett und freundlich, hilfsbereit, schlau und total sozial ist… gehen runter wie Öl.
Natürlich.
Aufwachen!
Das dies alles meist nur mit Zwängen („Wenn du nicht … ,dann ….!“), Drohungen („So lange du deine Füße unter meinem Tisch hast …“ ) und viel Geschreie hinter der Haustür geprobt und eingetrichtert wird, sieht kaum jemand.
Will kaum jemand sehen.
Das es Kinderseelen zerstört… weil diese Seelen niemals Kinder sein durften, ist kaum jemanden bewusst.
Das es die Beziehung zum eigenen Fleisch und Blut zerstört, will kaum einer Wahrhaben.
Und das sag ich nicht einfach nur so. Ich hab es schon mehrfach beobachten können.
Spätestens in der Pubertät fangen die Kinder an nachzudenken.
Das Erziehung der falsche Weg ist, sieht man mit etwas Glück irgendwann ein.
Und ändert es.
So wie ich.
Ich hatte Vorzeige-Kinder.
Ich bekam Komplimente für diese Leistung.
L
E
I
S
T
U
N
G.
Und ich habe trotz der Komplimente ewig überlegt, wie ich bewusst mehr Zeit mit meinen Kindern verbringen kann, nicht das einer zu kurz kommt.
Es steckte intuitiv schon immer in mir.
Das Bedürfnisorientierte.
Das echte.
Der Zweifel am System.
Ich merkte unbewusst, das irgendwas nicht stimmte.
Das irgendwas nicht rund läuft.
Das das die Ruhe vor dem Sturm sein kann.
Heute, einige Jahre später, nachdem ich mich viel mit mir beschäftigt habe, viel von anderen gelernt, in mich reingehört, mich mit mir und meiner eigenen Vergangenheit beschäftigt und den Blick über den Tellerrand gewagt habe … jetzt seh ich es ganz klar:
Meine Kinder haben sich selten beschwert, dass ich nicht da bin.
Diesen Stress habe ich mir jahrelang selber gemacht.
Ich habe Liebe an Dingen festgemacht.
Ich habe nach Materiellen Dingen und nach Erziehungsratgeber, Müttermeinungen und dem System gehandelt und mich daran gemessen.
Jetzt schaue ich richtig hin und sehe, dass es egal ist, wie viele Kinder ich habe, solange ich offen für sie und mich bin.
Wenn meine Kinder Kinder sein dürfen, mit all ihren Stärken und Schwächen, mit dem Mut mit anderen über sich zu reden.
Wenn sich meine Kinder trauen zu singen, malen und sich auszuprobieren – wertfrei.
Wenn sie immer Fragen stellen können, weil sie es dürfen.
Wenn sie einfach sein können, dann sind ihre Gefühle auch nicht verborgen.
Sie leben sich aus.
Sie dürfen, weil sie können.
Sie sind sich ihrer Gefühle bewusst.
Und wenn sie traurig sind, dann dürfen sie das sein.
Meine Jungs können auch weinen.
Weil sie es können. Und dürfen. Weil es mir scheißegal ist, was Muddi XY auf dem Spielplatz denken könnte.
Und wenn sie fröhlich sind, dann dürfen sie auch übertreiben.
Über Tische und Bänke springen.
Laut grunzen und einfach „durchdrehen“.
Und wenn sie Angst haben, dann bin ich auch für sie da; erkläre und begleite sie.
Wir finden Lösungen und gehen gemeinsam diesen Weg.
Und wenn sie sich Sorgen, dann komme ich und bin ebenfalls da.
Denn ich spüre, dass sie mich brauchen, … wenn sie mich brauchen.
Scheißegal
Ich habe eingesehen, dass es egal ist, wie meine Kinder auf andere wirken.
Es ist egal, wie viel Zeit ich für jedes Kind extra freischaufel, wenn es nur nach Plan und doch irgendwie erzwungen ist. Es nützt weder mir noch dem Kind etwas, wenn ich mit meinen Gedanken woanders bin.
Es ist auch schnurtzpiepegal, ob mein Kind sauber oder dreckig ist, denn es entscheidet selber ob es in die Matschpfütze springt.
Ich muss nicht zu jedem Elternabend, denn ich kenne mein Kind – und was ich vom System Schule halte ist dort eventuell nicht die beste Haltung, wenn ein Lehrer mir petzen möchte, dass mein großes Kind im Unterricht etwas getrunken hat. (Fiktives Beispiel)
Denn daran – und an so vielen anderen Dingen – kann man Liebe nicht ausmachen.
Man kann Liebe nicht aufwiegen.
Es ist nur wichtig, dass ich spüre, wenn mein Kind mich braucht und dann für es da bin.
Ich kann meinem Kind auch zwischendurch mal durchs Gesicht wischen, damit die Schokoschnute weg ist. Aber ich werden nicht mehr expliziert darauf achten – auch wenn es heißen könnte, meine Kinder sind verwahrlost.
Dreck unter den Fingernägeln gehört übrigens genauso zur Kindheit wie Schorf an den Knien.
Warum liebe ich meine Kinder nicht gleich?
Weil keines meiner Kinder gleich ist. Ich liebe jedes meiner Kinder individuell, bedingungslos und wertschätzend.
Bei uns gibt es keine Hierarchie mehr.