Trauer
Wikipedia sagt:
Trauer bezeichnet
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einen emotionalen Zustand. Es ist ein Gefühl der Niedergeschlagenheit, einer emotionalen Taubheit oder -erstarrung oder des Hervorbrechens heftiger Emotionen, wie Schmerz, Panik, Traurigkeit, Wut, Schuldgefühle, eines Mangels an Lebensfreude (kurzzeitig oder länger andauernd) oder eines seelischen Rückzugs, einer starken Kränkung
Mein Opa starb vor ca. 10 Jahren.
Er war die wichtigste Person meines Lebens, der einzige der immer an mich glaubte, mir den Weg des Lebens zeigte und immer für mich da war. Ich wusste, egal was passiert, er fängt mich auf und steht mir mit Rat und Tat zur Seite.
Und dann war er plötzlich weg.
Ich erinnere mich noch ganz genau an die Situation, als mein Mann es mir nach der Abendschule mitteilte. Ziemlich kitschig sagte er
„Setz dich mal hin. Ich muss dir was schlimmes sagen …“
Zu dem Zeitpunkt war Michelle gerade mal 6 Monate. Natürlich dachte ich erst an: Irgendwas ist mit ihr, gefolgt von Gefängnis, Krieg, Scheidung, …
Auf den Gedanken jemand wäre gestorben kam ich nicht, und wenn, dann nicht er. Er war unsterblich.
„… dein Opa ist gestorben“
„Welcher Opa?“
Mein Hirn schnallte nicht mal, dass ER es war. Weil: Das geht einfach nicht.
Die Beerdigung
Die war beeindruckend, so viele Menschen die ich noch aus Kindheitstagen kannte, waren dabei. Es passten nicht mal alle in die Kapelle, der Friedhof war voller Leben.
An mir zog alles wie in einem Film vorbei.
Ich sah mich von außerhalb, war gefühstod und realisiert nicht, dass das mein Opa dort im Sarg war.
Weil: Das konnte ja nicht sein.
Ich ignorierte den Tod.
Da meine Großeltern und ich seit nun 18 Jahren knappe 300km entfernt wohnen, war es für mich auch jahrelang nicht real. Ich war bis heute erst einmal bei meiner Oma.
Es war anders.
Irgendwie falsch.
Er fehlt.
Und ist doch in jedem Winkel des Hauses.
Nicht auszuhalten.
Deshalb konnte ich den Tod meines Opas fast ein Jahrzehnt ausblenden, denn wir sahen uns ja ohnehin nur selten. Er lebte dort, ich hier.
Und dann gab es Momente, da wurde es mir bewusst: er kommt nie wieder.
Aber was wäre, wenn…
In diesen Momenten habe ich mir Vorwürfe gemacht:
Wäre ich doch noch mal hingefahren. Hätte ich mir doch nur die Zeit genommen. Hätte ich dies und das nicht gesagt. Hätte ich dies und das doch mal noch gesagt. Oder getan.
Ich fühlte mich schuldig.
Mein Hirn meinte es dann wieder gut mit mir und blendete es einfach wieder aus.
Ich fand halt keine Lösung für mein Problem, also wurde es ignoriert.
10 Jahre lang ging das so.
Zwischen Trauer, Inakzeptanz und Ignoanz.
Und immer, wenn jemand starb…
Und immer, wenn es mir schlecht ging…
Und immer, bei speziellen Themen…
… dachte ich an ihn.
Es war ein ewiger Kreislauf.
Vor einer Woche sprach mein Mönch über den Tod, eher zufällig, und mir wurde, indem er erzählte, etwas bewusst:
Ich muss akzeptieren und darf dankbar sein – um wieder frei zu sein.
Natürlich hat sich mein Unterbewusstsein schon seit vielen Monaten darauf vorbereitet, das ganze „denk positiv, sei dankbar, akzeptiere und respektiere alles und jeden“ hat seine Spuren hinterlassen.
Allerdings war das Thema Tod für mich immer noch hoch sensibel und wurde strikt ignoriert. Ich war noch nicht bereit mich damit auseinanderzusetzen.
Tut ja auch scheiße weh, wenn man das alles noch mal durchläuft.
Aber in diesem Moment, als er so von Karma und Wiedergeburt erzählte – sogar strahlend und mit Freude – dachte ich so bei mir:
Das Problem ist nicht der Tod, sondern mein Ego.
Hier muss man wissen, dass Ego nicht gleich Ego ist. Kurz gesagt: es gibt das „alles meins, ich bin der beste“ Ego und das „selbsterhaltungs Ego“, was mir und andere hilft (zum Bsp.: „Rettet die Welt, pflanzt Bäume“, #govegan, „ich muss das ändern, sonst bekomme ich einen Burn Out“)
Ich wollte also nicht, dass er mich allein lässt.
Ich hatte niemanden mehr, auf den ich mich so verlassen kann, wie auf ihn.
Es tut mir im Herzen weh.
Ich trauere und verschließe mich.
Statt ihn gehen zu lassen, klammerte ich mich an ihn – ihn den es ja gar nicht mehr gab. Und dachte es wäre der einzig richtige Weg. Je länger ich um jemanden trauert, umso wichtiger war die Person.
Falsch.
Je länger ich trauerte umso unglücklicher wurde ich.
Ich verschloss mich – aus Angst vor neuem (Herz)Schmerz – und nahm den neuen Menschen in meinem Leben die Chance, dass ich sie zu 100% „liebe“ (Familienmitglieder mal ausgenommen).
Akzeptanz
Es war die Zeit gekommen, an der ich akzeptieren musste.
Akzeptieren, dass er nicht mehr da ist.
Nicht mehr zurückkommt.
Und das der Tod unausweichlich ist.
Ich musste akzeptieren, was ich sowieso nicht ändern konnte.
Niemals hätte ändern können.
Dankbarkeit
Des weiteren hatte ich gelernt dankbar zu sein.
Dankbar für die wundervollen Jahren, die er mir schenkte.
Die Momente, die ich dank ihm erleben durfte.
Dankbar, dass ich heute die bin, die ich ohne ihn nicht wäre.
Ich war Dankbar für das, was er mich lehrte und vor allem war ich dankbar, dass es ihn gab.
Ich akzeptierte also den Tod und war dankbar für das was war, statt nicht wahrhaben zu wollen, dass er gestorben ist.
Ich habe die Trauer überwunden.
Und plötzlich hatte ich ein neues Gefühl der Freiheit.
Meine Trauer verwandelte sich in reine Glücksgefühle.
Mein Herz wird nicht mehr schwer, wenn ich an ihn denke, ich lächle.
Und das ist auch das, was er sich zu Lebzeiten gewünscht hätte.